Ach ja, die Normalbrennweite 50mm: Einer der hohlsten Marketinggags, die sich die Verkaufsleute der Fotoindustrie je ausgedacht haben.
Rein technisch gesehen müsste ein Objektiv so lang sein, dass der optische Schwerpunkt bei einem Fokus auf Unendlich soweit vom Sensor oder Film entfernt ist, wie es seiner Brennweite entspricht. Das ist tatsächlich die Definition der Brennweite und deshalb geben wir sie als Länge in Millimeter an. Somit sollte ein 200mm-Objektiv deutlich länger sein als 20cm - vielleicht so 25-30cm ohne Streulichtblende. Um diese unhandlichen Weinflaschen zu vermeiden, verkürzt man künstlich den Strahlengang durch weitere Linsen in der Konstruktion, die diese Objektive kürzer werden lassen: Die Telekonstruktion.
Umgekehrt ist es bei Objektiven, deren Brennweite so kurz ist, dass man sie konstruktiv nicht mehr ausreichend vom Sensor oder Film entfernen kann. Hier muss der Strahlengang durch das Objektiv künstlich verlängert werden, um es überhaupt bauen zu können: Das Weitwinkelobjektiv.
Beide Konstruktionen sind verhältnismäßig aufwendig und teuer. Deutlich günstiger, handlicher und leichter sind Normalobjektive, deren Brennweite nicht künstlich verkürzt oder verlängert werden muss. Soviel zur Technik. Das Ganze hat also eigentlich mit unseren Vorstellungen von Brennweiten und Bildwinkel nichts zu tun, sondern nur mit der Bauart der Objektive.
Auch wenn man es gerne liest, geht es bei der Bezeichnung dieser Brennweiten als Normalobjektive also eigentlich nicht um den Blickwinkel des menschlichen Auges. Der Blickwinkel unserer Augen beträgt mit Einschränkungen beispielsweise durch die Nase runde 150° rundnum. Unsere Vorfahren wissen das seit gut 5 Mio. Jahren bei Begegnungen mit Säbelzahntigern und anderem zu schätzen. Natürlich sehen wir an den Rändern unseres Blickwinkels nicht sonderlich scharf, aber die Bewegung reicht ja. Einen Kopf kann man drehen. Ab wo wir dann Dinge dann konzentriert und deutlich wahrnehmen, kann man fleißig diskutieren und vielleicht kommt man dabei auch auf 47° (Bildwinkel über die Diagonale bei 50mm Brennweite und Kleinbild), wenn man weiß, dass dieses Ergebnis erwartet wird… Das kann man übrigens leicht selbst ausprobieren: Wenn man sich ruhig hinstellt, die Arme waagrecht hinter den Körper ausstreckt und dann langsam nach vorne dreht, wird man merken, dass man die Bewegung wahrnimmt, sobald die Arme etwa in einer Linie kit der Brust sind.
In den ersten 150 Jahren der Fotografie jedenfalls bevorzugten Fotografen Bildwinkel von ca. 50°-65°: beispielsweise 90-120mm bei 6x9 oder 70-80mm bei 6x6. Das gebräuchlichste Objektiv im Kleinbild war vor der SLR jahrzehntelang das „Reportageobjektiv“ 35mm mit einem Bildwinkel von 63°. Diese Objektive gaben den für die Betrachter offenbar besten Bildeindruck her und waren als Normalkonstruktionen einfach, kostengünstig und handlich herzustellen. Bis die SLR kam: der Spiegelkasten verlängerte das technisch notwendige Auflagemaß und damit den Mindestabstand der Objektive vom Film auf ca. 50mm. Damit wurden zur Herstellung der bis dahin üblichen Brennweiten teure und schwere Weitwinkelkonstruktionen nötig.
Um die teuren und schweren SLR überhaupt auf den Markt bringen zu können, wollte man aber als "KIT-Objektiv" nicht noch teurere und schwerere Objektive als Standard beigeben. Also definierte das Marketing die längeren Normalobjektivkonstruktionen einfach zum Standard und redete den Käufern ein, dass diese Brennweite dem menschlichen Auge entspräche.
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