Moin,
Die ehemalige Hauptkirche St. Nikolai im Zentrum Hamburgs, in ihrer jetzigen Form nach dem großen Brand 1842 in den Jahren 1846 bis 1874 neu errichtet, wurde im 2. Weltkrieg durch Bombenangriffe schwer beschädigt und das Kirchenschiff nach dem Krieg gesprengt und größtenteils abgetragen. Die Reste, einschließlich des Turmes, dienen seit dem als Mahnmal gegen Krieg und zur Erinnerung an die Opfer der Gewaltherrschaft 1933-45.
Der Wiederaufbau nach dem großen Brand wurde in einem Wettbewerb ausgeschrieben, den der gebürtige Hamburger (bzw. in Altona aufgewachsene) Gottfried Semper gewann. Sein Entwurf ähnelte der Dresdner Frauenkirche, doch gab es gerade eine Modeerscheinung, welche die gotischen Formen favorisierte, so dass etwas getrickst wurde um dem Entwurf des drittplatzierten englischen Architekten George Gilbert Scott doch noch Vorrang zu geben.
Der deutlich teurere Bau - ja das konnten die Hamburger schon damals, nicht erst seit der Elbphi - gipfelte in einem hellen neogotischen Kirchenbau mit dem damals höchsten Bauwerk der Erde (147m). Er wurde zwar schon 1877 durch die Kathedrale von Rouen überholt, doch noch heute ist es der fünfthöchste Kirchturm der Welt.
Mittlerweile ist der Turm durch Witterung - besonders Wasser - und Spätfolgen des Krieges in Mitleidenschaft gezogen. Ein 2011 heruntergefallener Sandsteinklotz führte nun zu einer Sanierung (bereits in den 60 und 90er Jahren wurden Teile gesichert und saniert).
Seit einiger Zeit ist der Turm bis zur Spitze eingerüstet, die Schäden aufgenommen und erste Arbeiten gestartet.
Die Sanierung wird durch eine Kollegin geleitet, wodurch ich mit einigen Kollegen die Möglichkeit bekam, die Baustelle einmal genauer anzusehen - leider viel zu kurz und aufgrund des starken Windes auch nur bis ca. 90m Höhe. Vielleicht bekomme ich später noch einmal die Gelegenheit dort mehr Bilder zu machen und dann auch bis zur Spitze hinaufzusteigen.
Die offizielle Besucherplattform in 75m Höhe bleibt übrigens während der Sanierung genau wie das Dokumentationszentrum im Keller geöffnet. Die Aussicht ist aber aufgrund des Gerüstes erheblich eingeschränkt.
Die Bilder haben angesichts der kurzen Zeit (ca. 2 Stunden in drei Gruppen) eher NMZ bzw. Dokumentations-Charakter. Da man diese Ansichten nur selten erleben darf, will ich sie aber nicht vorenthalten:
Da wollen wir gleich hoch. An dem kleinen abstehenden Gerüstteil rechts hängt der Arbeitsfahrstuhl....

#1
So sieht das dann beim hochfahren aus

#2
Die Katharinenkirche mit einem der zahlreichen Baukräne

#3
Die Elbphilharmonie, von außen immerhin fast fertig.

#4
In diesem Wimmelbild verstecken sich berühmte Gebäude wie Chilehaus und Sprinkenhof. In den hübschen Häusern mit dem gelben Staffelgeschoss darf ich meine Brötchen verdienen.

#5
Katharinenkirche (angeblich ist die goldene Krone aus Störtebekers Piratenschatz gegossen), Speicherstadt und Elbe

#6
Das sanierte Gebäude der Reederei Hamburg-Süd. Es wurde komplett erneuert, zwischendurch stand nur noch das Betongerüst, nun ist die denkmalsgeschützte Fassade wieder dran du drei Stockwerke sind auch noch dazu gekommen.

#7
Die Figuren stehen auf dem (ehemaligen) Allianz-Globus Gebäude. Die Shatten fallen auf...

#8
... das Gebäude der patriotischen Gesellschaft Hamburg. Dieses wurde z.T. mit Steinen des alten Hamburger Rathauses erbaut, welches die Hamburger beim großen Brand 1842 gesprengt hatten um das Feuer aufzuhalten. Nun ja, gebracht hat es nichts....

#9
Apropos Rathaus, hier steht das "neue" Rathaus, das erst viele Jahre nach dem großen Brand fertig gestellt wurde. Das angeschnittene Gebäude davor ist die "Neue Börse", in der heute auch die Handelskammer sitzt (die Wertpapierbörse ist hingegen inzwischen umgezogen).

#10
Fernseh-Michel, Emporio-Hotel (ehemals Unilever-Zentrale, steht ebenfalls unter Denkmalschutz). Rechts am Rand in dem runden Gebäude sitzt übrigens Google Deutschland.

#11
Nur zwei dünne Eisenstangen vor dem Abgrund. Der Helm ist immens wichitg, da man ständig auf Löcher im Boden achten muss und dadurch regelmäßig gegen Gerüststangen an der Decke knallt.

#12
Der Michel und die tanzenden Türme.

#13
Michel, Landungsbrücken und die Elbe Richtung Westen.

#14
Am Turm befinden sich sehr fein ausgearbeitete Figuren und Verzierungen. Wohlgemerkt in 90m Höhe, die bekommt normalerweise niemand zu sehen. Warum dieser Zeitgenosse die Zunge Richtung Reeperbahn/Altona ausstreckt ist leider nicht bekannt.

#15
So sieht es auf dem Gerüst aus.

#16
Noch eine Figur.

#17
Eines der Fenster im Turm. Die Glasfenster der Kirche haben den Krieg übrigens überstanden, da sie schon vor den Bombenangriffen ausgebaut und eingelagert wurden.

#18
Pseudo-Wasserspeier

#19
Noch'n Fenster

#20
Verzierungen

#21
Dieser Metallanker wurde in den 60ern eingebracht, um den Turm zu stabilisieren. Man hatte Sorge, das das Gewicht der Kappe den Mittelteil auseinander drücken könnte. Leider weiß niemand, ob die korrodierten Anker überhaupt noch etwas halten können, daher müssen komplett neue Anker eingebaut werden.

#22
Auf dem Weg nach unten kann man noch einen Blick in die Ausgrabung neben der Kirche werfen. Der Ort der Kirche liegt in der Keimzelle Hamburgs. Dort hat man die Überreste der sog. Neuen Burg gefunden, eine der ersten Befestigungen. Der Großteil wurde leider beim Bau des Allianz-Hochhauses (rechts am Bildrand) ohne vorherige Aufnahme von den Baggern zerstört. Lediglich eine Handvoll Fotos eines Studenten durch den Bauzaun geschossen liegen jetzt in den Archiven.

#23
Und eben dieses Hochhaus fällt auch demnächst den Baggern zum Opfer, hier noch ein Blick durch die leeren Räume.

#24
Der eingerüstete Turm von weitem. Wir waren auf Höhe des ersten Absatzes.

#25
Noch ein letzter Blick in den Keller. Dieser wurde von 1886 bis zur Insolvenz 2005 von einem Weinhändler als Lager und Verkaufsraum genutzt. Die Einrichtung musste (leider) im Rahmen der Sanierung für viel Geld entsorgt werden. An dieser Stelle ist das Kreuzgewölbe des Kirchenbodens eingebrochen und durch eine Betonplatte ersetzt worden. Darüber, ob das im Krieg durch einen Bombentreffer (Architekten) oder nach dem Krieg als Spätfolge der Sprengungen passierte (Wikipedia), gibt es leider unterschiedliche Aussagen.

#26
Einen Einblick in den Keller kann man noch bei den
erhalten.