Wieder mal eine interessante Objektiv-OP für euch:
Ich war Kaffee trinken in der Stadt und ein älterer Herr fing mit mir ein Gespräch an wegen meiner Fotoausrüstung, es stellte sich heraus das er nicht mehr mit DSLR fotografiert und er gerade seine Sammlung aufgelöst hat, nur ein Meyer Görlitz hätte er noch und das wollte keiner haben weil es reparaturbedürfig ist.
Das weckte natürlich meinen " LBA Jagdtrieb" und ich fragte ein klein wenig nach, das Objektiv war komplett fest, vermutlich verharzt.
Als ich ihm um seine Telefonnummer bat, meinte er wohne quasi um die Ecke und wenn ich mag, hole er es eben.
Das Objektiv war extrem fest, als hätte jemand einen Kaugummi reingebracht, aber optisch war es noch ziemlich OK.
10 Minuten später hatte ich ein 29mm Meyer Görlitz für 10€ gekauft...
Soweit zur Vorgeschichte.
Für die unter euch die mich noch nicht so kennen, ich habe mir mal einen "Objektivbrutkasten" gebaut um entspannt und ziemlich staubfrei zu arbeiten.
Hier liegt also der Patient nun:

Zunächst entferne ich das M42 Bajonett und die hintere Linsengruppe um überhaupt mal einen ungetrübten Blick auf die Blendenlamellen werfen zu können:


Die Blende war ziemlich verölt und es sah nach viel Arbeit aus, die andere Seite war noch wesentlich schlimmer.

An der Kappe über der Blende sind 3 sehr kleine Madenschrauben (M1,4) die man zuerst lösen muss.
Wichtig:
Diese Kappe hat ein wenig Spiel, mit den Madenschrauben wird die Kappe zentriert, bitte Bilder machen bevor man die Madenschrauben löst!Danach die Kappe vorsichtig entfernen und die Blende liegt nun in ihrer ganzen Pracht vor uns, jetzt schaut man sich zuerst mal den Aufbau an.
Normalerweise, wie hier auch, werden die Lamellen im Uhrzeigersinn aufeinandergelegt, die letzte Lamelle wird dann allerdings wieder unter die erste geschoben, damit sind alle miteinander verzahnt und laufen immer inneinander.
Ich mache mir davon gern ein Foto bevor ich Lamelle für Lamelle vorsichtig entferne.

Die Lamellen haben kleine Stifte an denen sie bei der Drehbewegung geführt werden, wenn eine Blende verölt ist, sollte man auch diese Führungen säubern damit das Problem sich nicht evtl. wiederholt.
Hier sieht man die Kulisse nach der Reinigung:

Für die Reinigung der Lamellen verwende ich so etwas ähnliches wie Wattestäbchen, diese sind aber für den technischen Gebrauch gedacht und etwas fester, sie fusseln auch kaum.
Die Reinigung habe ich in diesem Fall mit Aceton gemacht, das Öl war so fest drauf das ich mit Alkohol nicht wirklich weiterkam.
Bei Lamellen aus Metall ist es kein Problem, sollten es welche aus Kunstoff sein dann höchstens noch Spiritus verwenden, Aceton könnte den Kunststoff angreifen!


Wie man an den Tuch darünter sieht, waren sie ziemlich verölt.

Jetzt kommt ein ziemliches Geduldsspiel, das Einlegen der gesäuberten Lamellen.
Wer es zum ersten mal macht, wird verzweifeln, aber glaubt mir, irgendjemand vor euch hat die auch eingelegt, es geht also.

Zur Erinnerung: bitte nicht vergessen, daß die letzte Lamelle unter die Erste geschoben wird!
Jetzt wird mit Gefühl die Kappe wieder draufgelegt und die kleinen Madenschrauben angezogen.
Dabei auf die oben angesprochene Zentrierung achten.Der erste Etappensieg, eine einwandfrei laufende Blende


Jetzt kümmern wir uns mal um den Fokusring, am einfachsten ist es, man löst mit einem spitzen Objektivschlüssel die Vorderseite mit der Aufschrift und dann die vordere Linsengruppe.
Um das Fett zum demontieren etwas gangbarer zu machen, habe ich alles mit dem Werkstattfön erwärmt.
Es ging trotzdem verdammt zäh, warum sieht man auf dem Bild, es war wirklich wie Kaugummi.

So etwas geht am besten mit Bremsenreiniger zu entfernen den man auf ein Tuch sprüht.
Hier sollte man ebenfalls sehr sorgfältig arbeiten, es muss das gesamte alte Fett entfernt werden damit es dann so aussieht wie hier:


Das neue Fett ist Tamiya Lagerfett aus dem RC-Car Bereich, es hat für Objektive genau die richtige Konsistenz um den Fokusring schön "Cremig" laufen zu lassen.
Die Menge auch dem Bild reicht absolut aus, mehr Fett bedeutet auch mehr Widerstand beim drehen!

Entgegen der Demontage wird zunächst der Gewindering ohne vordere Linsengruppe wieder eingedreht und zwar so weit bis die Zapfen diese Position erreicht haben:

Jetzt dreht man wieder ein kleines Stück zurück, legt die Andruckfedern auf der Zapfenrückseite ein und schiebt die Kappe darüber, jetzt kann man den Gewindering wieder an seine Position schieben.
Da meine Linsengruppe auch innen etwas Staub hatte, habe ich diese zusätzlich auch noch zerlegt und die Linsen gereinigt:

Jetzt geht es an den Zusammenbau:
Man ist geneigt alles wieder so zusammenzubauen wie man es zerlegt hat, aber bei den alten Meyer Görlitz geht man etwas anders vor:
Das Objektiv wird von der Bajonettseite wieder montiert, also alle Ringe nacheinander reinigen, montieren und verschrauben.
Damit der Blendenring rasten kann hat er eine kleine Metallkugel die von einer Feder angedrückt wird, diese sollte man auch bei der Montage nicht vergessen...

So soll es nach der Montage aussehen:

Der letzte Ring mit dem M42 Bajonett hat noch ein paar Hebel um die Blende zu bewegen, diese werden nun auch demontiert und gereinigt, dabei darauf achten das die Federn nicht verbogen werden und auch nicht wegfliegen....
Nachdem alles vom alten Öl befreit wurde, wird zunächst mit etwas Nähmaschinenöl oder anderes, nicht harzendes Öl, der Gewindering geölt und eingedreht.


Jetzt kommt wieder ein kleiner Montagetrick:
Man dreht den Ring ganz ein, dreht ihn dann genau 2 Umdrehungen zurück, so hat man genau den nötigen Abstand um den Blendenhebel darunter zu schieben!


Der Blendenhebel hat unter der Befestigungsschraube eine ganz kleine Scheibe, diese wird mit etwas Fett an Ort und Stelle fixiert damit man sie beim Einbau nich verliert und auch an der richtigen Stelle sitzt.
Sollte sie das nicht tun, geht der Blendenhebel schwer, in diesem Fall den Arbeitsgang wiederholen.

Da wir den "Blendenpin" nicht brauchen und er auch in unserem Fall im Weg ist, muss dieser entfernt werden.
Hierzu gibt es verschiedene Methoden, Sekundenkleber, Dremel etc.
Da ich kein Freund von derart rabiaten Methoden bin, schliesslich kann es vorkommen das vielleicht doch mal das Objektiv an einen "Oldie" kommt, gehe ich folgendermaßen vor.
Von einem Adernendhülse 1mm² schneide ich mit dem Dremel einen 3mm langes Stück ab, dieses schiebe ich auf den Pin.
Mit diesem "Abstandshalter" ist nun der Pin komplett verschwunden, man kann aber auch innerhalb kürzester Zeit den Pin wieder aktivieren!



So sieht es aus wenn alles gereinigt und wieder montiert ist:

Nachdem alles verschraubt wurde, setzt die hintere, gereinigte Linsengruppe ein, danach richtet man die Blendenhebel so aus, das man die vordere Linsenbaugruppe hineinschieben kann.
Bitte darauf achten, daß diese durch einen kleinen Pin geführt wird!

Jetzt den vorderen Ring und als letztes den Ring mit den Schriftzug eindrehen, das wars!
Als letztes ein Test:

PASST!
Noch ein Bild warum ich diese "Görlitze" so mag:

Fazit:
Ein Objektiv das fast in den Müll gewandert wäre und durch Zufall weitergereicht wurde, ist nun komplett restauriert und wird ab und zu mich auf unseren Fotoausflügen begleiten.
Danke.
