Knut Weber hat geschrieben:
Ich lese öfter, dass bestimmte Objektive ein tolles Bokeh haben, teilweise wegen simpler 3-Linsensysteme (Vorkriegsware), aber auch wegen einer großen Lamellenzahl.
"Bokeh" ist ein ästhetischer Begriff, der
viele Aspekte beinhaltet und daher nicht unmittelbar mit nur einer technischen Ursache im Zusammenhang steht.
Deine folgenden Ausführungen beziehen sich aber auf Teile, wo es einfacher wird.
Knut Weber hat geschrieben:
Was ich jetzt nicht verstehe: Das Bokeh wird ja dann die größten Verzeichnungskreise und geringste Tiefenschärfe haben, wenn das Objektiv mit der größten Lichtstärke arbeitet.
"Verzeichnungskreise" ist nicht das ideale Wort.
Die "Unschärfekreise" sind maximal bei größter absoluter Apertur und unendlichem Abstand zum Hintergrund.
Beachte vor allem, dass "Schärfentiefe" und "Freistellung" / "Hintergrundunschärfe" NICHT synchron laufen. Es lassen sich leicht mit unterschiedlichen Objektiven Szenarien bilden, wo Variante A mehr Hintergrundschärfe hat, aber Variante B weniger Schärfentiefe.
Ein Portrait (mit demselben Bildausschnitt) vor weiter Landschaft einmal mit einem 50mm F1.4 und einmal mit einem 100mm F2.8 Makro gemacht zeigt exakt
dieselbe Hintergrundunschärfe/Freistellung (das was Du oben Bokeh nanntest).
Mit dem Makro wirst Du aber die
doppelte Schärfentiefe haben und somit viel eher Nase
und Augen gleichzeitig scharf bekommen.
Mit einem 200/2.8 wirst Du sogar doppelt so viel Unschärfe im Hintergrund hinbekommen und 4x soviel Schärfentiefe (von der Nasenspitze bis zu den Ohren).
Knut Weber hat geschrieben:
Da sehe ich aber bei allen Objektiven nur einen kreisrunden Tunnel beim durchblicken, weil die Blende maximal geöffnet ist. Keine Lamellen sichtbar.
Richtig, bei völlig offener Blende werden die Unschärfekreise rund sein. Das gilt selbst für lichtschwache F5.6 Kitlinsen.
Nur werden diese runden Unschärfekreise eben sehr klein bleiben bei den Kitlinsen.
Knut Weber hat geschrieben:
Ist das also erst ein Kriterium ab der zweitgrößten Blende?
Im Prinzip ja. Erst wenn die Lamellen etwas überlappen, formen sie ein mehr oder minder eckiges Muster. Je mehr Lamellen Du benutzt und wenn diese dann noch abgerundet sind, bleibt es aber länger rundlich.
Bei "Bokeh" gibt es aber eben viele sehr subjektive Präferenzen. Ebenso wie es Lomographiefans gibt, gibt es auch hier Fans für alles (die nennen die Mängel dann "Charakter"
). Da gibt es keine "Wahrheiten" und kein "richtig".
Und es gibt keinen Zusammenhang zum Preis. Schau Dir hier beim 10.000 EUR Leica 50mm F.95 Noctilux die übel verformten Unschärfekreise und die Zwiebelringe an:
https://d1pus65nq8mfgb.cloudfront.net/r ... 3M0629.jpg. Die meisten wollten sowas überhaupt nicht haben, nicht mal für 500 EUR.
Sehr starke Linsenfehler/Aberrationen sorgen da m.E. für Augenkrebs mit häßlich unförmigem und extrem unruhigem Bokeh:
https://d1pus65nq8mfgb.cloudfront.net/r ... 190495.jpgNatürlich kann man mit jedem Objektiv und jeder Kitlinse schöne Bilder machen, denn die Bokeh-Schwächen kann man durch geschickte Motivauswahl und -inszenierung vermeiden/verstecken. Auch in der Nachbearbeitung (an den Kontrasten drehen; Farben per s/w Umwandlung verstecken usw.) und mit dem Wegschneiden von Rändern kann man viel rausholen.
Zeig dasselbe Bild 10 Leuten und die werden alle das Bokeh unterschiedlich bewerten.
Ein seeeehr weites Feld.